HC Interviews: Claudio Lottaz (Bass)
Interviews mit Sänger*innen des Heart Chors über das Singen, unseren Chor und mehr.
Claudio, was machst du beruflich?
Ich bin Bioinformatiker. Ich habe erst Informatik in der Schweiz in meiner Heimatstadt Bern studiert und mich nachher in einem zweiten Studiengang über Bioinformatik weitergebildet.
Seit wann bist du im Chor und wie hast Du den Heart Chor gefunden?
Ich habe eigentlich unmittelbar danach, als ich 2007 angekommen bin, den Entscheid gefasst, dass ich unbedingt in einem Chor singen möchte. Das macht der geneigte Informatiker erstmal übers Internet und so habe ich den Heart Chor gefunden. Da war ein Chor-Konzert mit sieben Chören angekündigt, und das habe ich mir dann als Gelegenheit genommen, diese kennenzulernen – zumindest ansatzweise. Da waren vier Männerchöre dabei von 1884 oder so …
Die anderen haben im Konzert ein Stück gesungen, das hieß ‚Wir sind alle über 40’. - Da konnte ich nicht hingehen, denn ich war ja erst 39.
Du singst im Chor welche Stimme?
Ich singe im tiefen Bass. Ich habe mich immer gewundert, dass ich so tief singen können soll. Na gut, tatsächlich klingt meine Sprechstimme recht tief, aber zum Singen in sehr tiefer Lage fehlt meiner Stimme schon häufig die Kraft. Aber der Bass ist sicher die Lage, in der ich überhaupt singen kann. Die hohe Tenorstimme ist da auf keinen Fall etwas für mich.
Hast du eine musikalische Vorbildung?
Ja, so ein bisschen natürlich. Ich bin ursprünglich in eine Schule für Blinde und Sehbehinderte gegangen, und da wird man in Sachen Musik etwas mehr gefördert. Seit der 2. Klasse habe ich Flöten- und Klavierunterricht gehabt. Wobei ich die Flöte schnell wieder an den Nagel gehängt habe. Klavierunterricht hatte ich wirklich sehr lange – fast 20 Jahre hat mich das begleitet. Mich hat auch die Kirchenorgel angesprochen – bis zu Bachs bekannter Toccata und Fuge habe ich es da gebracht. Während des Studiums in Bern hatte ich nachher die Gelegenheit nebenbei etwas Harmonielehre zu studieren.
Du hättest also auch als Musiklehrer arbeiten können?
Nee, da hätte ich glaube ich keine Chance gehabt. Ich habe relativ viel Zeit mit Musik verbracht, aber mit professionellen Musikern kann man das nicht vergleichen.
Was war dein erster Auftritt mit dem Heart Chor?
Wir haben Weihnachtslieder gesungen. Das hat mich jetzt nicht besonders angesprochen. Aber man hat sofort einschätzen können, da möchte man auf Konzerte hinarbeiten. Das fand ich wichtig, dass es ein Ziel vor Augen gab und man sich nicht nur zum Spaß getroffen hat.
Man hört hier schon eine Ambition heraus …
Ich hatte auch immer schon Ansprüche an mich selbst. Ich möchte auch, dass es jemand beim Zuhören irgendwie gut findet. Auch in der Uni habe ich den Anspruch arbeiten zu können und Forschung zu machen, die vielleicht jemanden voranbringt.
Was unterscheidet ein Hobby wie den Chor von der Arbeit?
Also, im Alltag arbeitet man zwar viel mit Leuten zusammen und ist verantwortlich für einen Bereich. Oft muss man Leute betreuen und selbst die Initiative ergreifen. Beim Singen ist es viel stärker ein gemeinsames an einem Strick ziehen. Wenn man mal gerade nicht richtig kann, dann zieht ein anderer. Das finde ich hier sehr entspannend. Den Zwang, dass man als Einzelner etwas erreichen muss, finde ich hier nicht so stark, weil es mehr auf die Gemeinschaft ankommt.
Wie man so schön sagt: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile…
Ja, das wirkt vielleicht etwas platt, trifft es aber recht genau. Man merkt viel stärker, dass man die gesamte Leistung, den Klang, gar nicht allein erbringen könnte. Es ergibt eine automatische Aufteilung – ich möchte es jetzt ungern Arbeitsteilung nennen - die quasi per Definition den Erfolg nur gemeinsam mit allen verschiedenen Stimmen ermöglicht.
Was hörst du zu Hause für Musik?
Ich finde es ehrlich gesagt extrem schwierig, meinen Musikgeschmack zu beschreiben. Ich bin jemand, der gerne klassische Musik hört und verhältnismäßig wenig Rock und Pop. Auch ein bisschen Jazz – ich hatte auch eine Weile mit einem Jazz-Klavierlehrer gearbeitet, das war ganz lustig. Ich habe mich aber nie darum bemüht, mich richtig gut mit einzelnen Gruppen auszukennen. Im Gegenteil habe ich das Gefühl gehabt, je weniger ich selbst kenne, desto freier bin ich im Improvisieren. Ich bin, glaube ich, jemand, der eher melancholische Musik schön findet.
Du kommst ja aus der Schweiz – hast du Bezug zur alpenländischen Musik?
Ich finde ein Alphorn in der Alp ist irgendwie schon was Nettes. Aber die Literatur, die es da gibt, ist ohnehin sehr eingeschränkt, weil man nur Obertöne spielen kann. Das ist zwar schon beeindruckend, aber nach zwei, drei Minuten ist es dann auch gut.
Dir gefallen also eher komplexe Kompositionen in der Klassik und im Jazz?
Ich wollte mal für ein Patenkind eine Improvisation aufschreiben – das habe ich aber nicht geschafft, weil ich mich nicht ordentlich an einfache Prinzipien gehalten habe. Die Noten hätte man kaum lesen können, schon gar nicht ein Klavieranfänger …
Das klingt sehr interessant, ich glaube du musst heute Abend am Chorwochenende doch noch mal in die Tasten greifen.
Naja gestern habe ich es ja versucht und da ist es nicht so richtig geglückt, finde ich. Nach 10 Minuten war der Raum auf jeden Fall im Wesentlichen evakuiert …
Du hast einfach immer zu hohe Ansprüche …
Das ist ein interessantes Thema, gerade auch in einem Chor. Es passiert häufig, dass Leute, die sich stark engagieren, eben auch hohe Ansprüche haben. Teilweise besteht das Risiko dann auch, dass nicht alle Leute mitgenommen werden können oder mitkommen wollen. Die Auswahl von 8-stimmigen Stücken finde ich schon eine ordentliche Herausforderung für den Chorleiter. Es ist nicht so einfach eine gute Balance zu finden zwischen dem eigenen Anspruch und dem einfachen Spaß an der Freude.
Und dass man alle unter einen Hut bringt …
Genau. Auch ich selbst mag zwar Herausforderungen, fand aber ein Stück zu Anfang völlig abgefahren und zu guter Letzt hat es mir sehr gefallen. Das ergibt sich häufig, aber da muss man sich auch erst herantasten und das will vielleicht nicht jeder mitmachen.
Die Frage stellt sich natürlich immer – bei ‚professionellen‘ Chören muss man wahrscheinlich vorsingen und Notenkenntnisse haben. Wir sind meines Erachtens ein bunt gemischter Chor. Man findet durchaus Leute mit sehr guten Vorbildungen und vielleicht welche mit weniger Vorbildung oder die nicht die sichersten Sänger sind, aber auch ihren Platz haben. Das macht glaube ich auch den Reiz des Heart Chors aus, dass Markus, unser Chorleiter, es irgendwie schafft, das zusammenzubringen …
Es gibt da zwei Facetten, die man vielleicht hervorheben kann. Eine Seite ist die Stückauswahl, dass man nicht nur komplizierte Sachen singt. Einfache Stücke werden aber auch gerne langweilig. Ich erinnere mich an leidvolle Stunden beim Üben von Orgelstücken, die mich schon gelangweilt haben bevor ich sie überhaupt ansatzweise spielen konnte. Das geschieht mir im Chor zum Glück nie. Dort gewinnt das Erlebnis, dem gemeinsamen Gesang zuzuhören, immer die Überhand. Die andere Seite ist die Ausführung in Konzerten. Ich finde es toll, dass wir wirklich aufwendige Konzerte spielen. Die Herausforderung ist natürlich auch gegeben, dass man sagt ‚Ok Leute wer jetzt mitsingen will, der muss auch immer üben kommen‘. Diese Balance ist auch schwierig zu halten. Ich bin gerne dafür, dass man die Herausforderung annimmt, ein Konzert so aufwendig zu betreiben. Aber man muss sich schon immer fragen: „Möchte ich in einem großen Konzertsaal mit großer Technik singen oder lieber in einer Kirche und es als gegeben annehmen, was es da einfach gibt?“ Beides hat sicher seinen Reiz.
Wissen deine Arbeitskollegen, dass du im Chor singst?
Ich habe schon immer Werbung gemacht. Das erste Mal hat es auch ganz gut geklappt. Etwa 20 Karten hatte ich verkauft und die Käufer sind auch alle zum Auftritt gekommen. Das letzte Mal ist keine ‚Sau‘ zum Konzert gekommen – jetzt weiß ich nicht, was ich daraus ableiten soll … Vielleicht kann man nicht davon ausgehen, dass alle Leute die Art von Musik interessiert. Man muss keinen Hardrock-Fan davon überzeugen, ein Chorkonzert zu besuchen. Die Kollegen wissen es aber schon und ich mache auch weiter Werbung. Besonders die jungen Leute denken vielleicht zu früh an einen klassischen Kirchenchor und fühlen sich dann nicht angesprochen. An meinen Überzeugungskünsten muss ich wohl noch etwas arbeiten.
Wir haben im Heart Chor die Tradition, dass sich Mitglieder ein Geburtstagslied wünschen dürfen. Was sagst du dazu?
Also, ich finde es fantastisch. Ich habe vorher noch keine solche Tradition kennengelernt. Man kann auch überhaupt nichts falsch machen, egal was man sich wünscht. Es ist natürlich von Vorteil, wenn man sich was wünscht, was die Leute vielleicht auch können.
Welches Lied würdest du dir vom Heart Chor wünschen?
Im Moment würde ich mir das „Lullaby“ wünschen, weil ich besonders das Solo ganz herzzerreißend schön finde. Es ist unglaublich beeindruckend, wenn man da vor 50 Leuten sitzt und leidenschaftlich besungen wird. Man kann es einfach auf sich wirken lassen.
Weil du gerade das Solo angesprochen hast - wir haben, glaube ich, erst im letzten Projekt [Anm.: ‚Songs from Heaven and Hell‘] richtig angefangen Solosänger herauszustellen. Hat es dich überrascht und könntest du dir selbst vorstellen, ein Solo zu singen?
Ich könnte mir das nie im Leben vorstellen. Ich finde es aber eine hervorragende Idee, weil einige unserer Chorkollegen das Zeug zum Solisten haben und diese Herausforderung gerne annehmen. Einige der sehr guten Sänger können wir so vielleicht weiter beim Heart Chor halten, obwohl ihnen der Weg zu einem professionelleren Ensemble auch offen stünde. Und natürlich machen Soli ein Konzert farbiger und abwechslungsreicher.
Was macht aus deiner Sicht den Charme des Heart Chors aus?
Ich glaube schon, dass man merkt, dass die Leute, die da singen, Amateure sind. Im Alltag ist dieses Wort zwar etwas negativ besetzt, hat zum Beispiel zu tun mit Unprofessionalität. Aber Amateur heißt ja Liebhaber und das klingt doch schon viel positiver. Es ist vielleicht nicht immer alles astrein, aber dafür singen wir mit Freude und Inbrunst, das ist meistens eher charmant. Wenn man eine Aufnahme hört, dann kann das natürlich stören, wenn man das mit professionellen Chören vergleicht. Aber beim Liveauftritt hat das im Gegenteil seinen Charme, da die Musik von den Leuten gelebt wird.
Vielen Dank für das interessante Gespräch.